Die metabolische Leistungsdiagnostik ist ein wissenschaftliches und seit Jahrzehnten bewährtes Verfahren, die Leistungsfähigkeit des individuellen Stoffwechsels eines Sportlers, unabhängig seiner Leistungsklasse und seines Erwachsenenalters, zu ermitteln sowie den Trainingsverlauf zu kontrollieren und zu steuern. Dazu wird der Sportler entsprechend einem Protokoll in verschiedenen Belastungsstufen belastet, wobei vor und nach jeder Belastungsstufe die Blutlaktatwerte erhoben werden. Je nach Sportart wird während der Belastungen zusätzlich eine Atemgasanalyse (Belastungsspirometrie) durchgeführt. In diesem Artikel stelle ich die metabolische Leistungsdiagnostik vor und erläutere deren Nutzen für Ausdauersportler, insbesondere in den Triathlonsportarten.
1. Entwicklung der metabolischen Leistungsdiagnostik
Komplexere metabolische Leistungsdiagnostiken werden seit Ende der 1950er Jahre durchgeführt und bleiben zunächst medizinischen Indikationen oder dem Hochleistungssport vorbehalten. Mitte der 1980er Jahre werden die ersten wissenschaftlichen Studien zur Regulation des Energiestoffwechsels publiziert. Diese Studien sind bis zum Ende der 1980er Jahre durch Leistungstests im Laufen, Rudern und Schwimmen validiert. In den 1990er Jahren werden die ersten Energiestoffwechselmodelle in die Trainingskonzeption von Schwimmern und Triathleten durch den belgischen Arzt Jan Olbrecht integriert. Diese neuen, metabolisch basierten Trainingskonzepte gipfeln seinerzeit u.a. in den beiden Ironman-Weltmeisterschaftssiegen von Luc van Lierde 1996 und 1999. Im Jahr 2001 wird von der European Space Agency (ESA) ein erstes dynamisches Modell über die muskuläre Regulation des Energiestoffwechsels erstellt. 2002 erfolgt dann an der Deutschen Sporthochschule Köln durch eine Forschergruppe um den Sportwissenschaftler Sebastian Weber die erste Bewertung der glykolytischen, anaeroben Leistungsfähigkeit über die maximale Laktatbildungsrate (VLamax). In den Folgejahren wird dieser Test in Verbindung mit der Ermittlung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) durchgeführt. Ziel ist es, die Überschneidung von Laktatproduktion und Laktatabbau im Arbeitsmuskel zu bestimmen (maximales lactat-steady-state). Dies gelingt deutlich präziser als mit den bislang durchgeführten, konventionellen Testverfahren und läutet eine neue Ära der metabolischen Leistungsdiagnostik im Sport ein. Diese neue Methodik wird zunehmend als Feldtest durchgeführt und erfreut sich seit 2006 steigender Beliebtheit im Profisport und löst damit immer mehr die konventionelle Labordiagnostik ab. Insbesondere im professionellen Radsport wird die Felddiagnostik dank der innovativen INSCYD®-Software immer mehr zum Standard. Mittlerweile wird diese Form der metabolischen Leistungsdiagnostik in allen Triathlondisziplinen und weiteren Ausdauersportarten über alle Leistungsklassen hinweg erfolgreich eingesetzt.
2. Wozu und für wen ist eine metabolische Leistungsdiagnostik geeignet?
Eine metabolische Leistungsdiagnostik wird zur Bestimmung des individuellen Leistungsstoffwechsels angewendet. Ziel ist es, verschiedene, für die jeweilige Sportart leistungsbestimmende Stoffwechselparameter (s. 4) gemäß wissenschaftlicher Gütekriterien zu ermitteln und die Ergebnisse für die darauf aufbauende Trainingsplanung und für die Ernährungsstrategien in Training und Wettkampf aufzubereiten.
Damit ist die metabolische Leistungsdiagnostik für jeden ambitionierten, leistungsorientierten (Ausdauer-)Sportler geeignet und für alle Leistungssportler/Lizenzsportler eine zwingende Voraussetzung für eine maximale Performance. Eine zielgerichtete, individuelle Trainingsplanung samt einer entsprechenden Ernährungsstrategie ist nur auf der Basis einer Leistungsdiagnostik möglich, da es entsprechende ermittelte Parameter bedarf, auf die in einer Planung Bezug genommen werden kann.

Abb. 1: Erst mit den Ergebnissen einer metabolischen Leistungsdiagnostik ist ein zielgerichtetes und planbares Training möglich, z.B. die Steigerung der Wattleistung an der anaeroben Schwelle. (Bildquelle: INSCYD)
Wer ein Training und eine Ernährungsstrategie ohne vorausgegangene Leistungsdiagnostik plant oder gestaltet, hat keine reale Bezugsgröße und agiert blind und unbeholfen. Die Trainingsbelastungen und die Pacingstrategien im Wettkampf werden ohne die Erkenntnisse einer Leistungsdiagnostik eine Lotterie und werden qualitativ wie quantitativ nie optimal gestaltet sein. Wie denn auch, wenn entscheidende Bezugsparameter des Leistungsstoffwechsels fehlen?
3. Wie wird die metabolische Leistungsdiagnostik durchgeführt?
Die metabolische Leistungsdiagnostik nach dem INSCYD®-Protokoll wird in verschiedenen Belastungsstufen als Labor- oder Feldtest durchgeführt. Bei Radsportlern findet der Test für eine optimale Performance auf dem eigenen Rad mit Powermeter statt. Nach einem 10-minütigen, sportartspezifischen Warm-up folgen i.d.R. vier Belastungsstufen unterschiedlicher, jedoch gleichmäßiger Intensität (nach Wattvorgaben auf dem Rad oder Geschwindigkeitsvorgaben beim Laufen oder Schwimmen). In der letzten Belastungsstufe wird der Sportler i.d.R. maximal belastet. Nach jeder Belastungsstufe erfolgen mehrere Bestimmungen des kapillaren Blutlaktatspiegels, um das jeweilige Laktatmaximum und das jeweilige Laktatverhalten zu ermitteln.

Abb. 2: Die metabolische Leistungsdiagnostik kann als Feldtest zeitsparend in das Training involviert werden. (Bildquelle: INSCYD)
Die Pausen zwischen den Belastungsstufen sollten ausreichend lang für eine vollständige Erholung sein. Beim Laufen und Schwimmen ist eine Atemgasanalyse insbesondere bei einer schlechten Bewegungsökonomie ratsam, beim Radfahren ist diese i.d.R. nicht erforderlich.
4. Die wesentlichen Parameter der metabolischen Leistungsdiagnostik
Die wesentlichen Stoffwechselkapazitäten, die bei einer metabolischen Leistungsdiagnostik erhoben werden, sind:
- Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max): Diese bestimmt die maximale aerobe Leistung. Mit jedem Milliliter Sauerstoff, den der Körper in den Stoffwechsel aufnehmen und nutzen kann, wird (aerob) Energie produziert. Ein höherer VO2max-Wert bedeutet somit einen höheren aeroben Energieumsatz und damit mehr Leistung. In fast allen Sportarten ist ein hoher VO2max-Wert erwünscht, der eine hohe Leistungsproduktion durch den aeroben Stoffwechsel ermöglicht.
- Die maximale Laktatbildungsrate (VLamax): Dies ist die maximale Rate der Laktatproduktion. Mit jedem Molekül Laktat produziert der Muskel auch Energie. Daher kann die VLamax als maximale glykolytische Leistung angesehen werden. Für Ausdauerleistungen, wie einem Ironman oder einen Marathon, ist ein niedriger VLamax wünschenswert. Eine vergleichbar niedrige VLamax ermöglicht eine höhere anaerobe Schwelle, eine höhere Fettverbrennung und eine bessere Einsparung von Kohlenhydraten. Andererseits bedeutet ein niedrigerer VLamax eine niedrigere glykolytische Energieerzeugung, was die Leistung bei Sprints und kurzzeitigen Belastungen verringert. Daher ist bei Events wie Radrennen, die Sprints oder kurze intensive Leistungen beinhalten, ein höherer VLamax mit einer höheren Leistung verbunden.
- Die anaerobe Schwelle (AT/FTP): Die anaerobe Schwelle ist seit langem als einer der wichtigsten Eckpunkte im Ausdauersport bekannt. Die AT kennzeichnet die Intensität (Geschwindigkeit oder Leistung), bei der die Produktionsrate und die Abbaurate von Laktat gleich sind. Die AT kennzeichnet die höchstmögliche Intensität, die ohne Ansammlung von Laktat aufrechterhalten werden kann. Die Leistungsdauer ist in diesem Fall meist durch die Verfügbarkeit von Kohlenhydraten begrenzt, die bei der Intensität an der AT schnell verbraucht werden.
- Das Maximum des Fettstoffwechsels (FatMax): Es kennzeichnet die höchste Fettoxidationsrate. Vereinfacht ausgedrückt ist dies die maximale Menge an Energie (kcal) aus der Fettverbrennung pro Stunde. Bei Ausdauerereignissen ist eine hohe FatMax mit einer hohen Ausdauerleistung verbunden. Während die Kohlenhydratspeicher (Glykogen) begrenzt sind, kann die Verwendung von Fett als Energielieferant dazu beitragen, Kohlenhydrate zu sparen. Die FatMax ist auch eine Trainingsintensität, die hilfreich sein kann, um individuelle Intensitätszonen für das Training festzulegen.
- Der maximale Kohlenhydratstoffwechsel (CarbMax): Dieser kennzeichnet die Intensität (Geschwindigkeit oder Leistung), bei der die Verbrennung von Kohlenhydraten 90g in der Stunde erreicht. Diese Rate der Kohlenhydratnutzung entspricht dem gegenwärtigen Kenntnisstand der maximalen Absorption von Kohlenhydraten in einem gesunden Verdauungstrakt, welche durch Nahrung zugeführt werden kann.
Aus diesen erhobenen Stoffwechselkapazitäten können folgende, wichtige Parameter der Leistungsfähigkeit dargestellt werden:
- Der Sauerstoffbedarf und die Sauerstoffaufnahme.
- Die Laktatproduktionsrate, die Laktatkonzentration und der maximal möglichen Laktatabbau.
- Der Pyruvatmangel und die tatsächliche Laktatanhäufung.
- Die Fett- und die Kohlenhydratverbrennung.
5. Die Trainings- und Ernährungskonsequenzen aus der metabolischen Leistungsdiagnostik
Die individuellen Ergebnisse der metabolischen Leistungsdiagnostik fließen nun in die Trainingsplanung und die Erstellung einer Ernährungsstrategie für Training und Wettkampf ein. Ziel ist es, die einzelnen (defizitären) Stoffwechselparameter für die jeweiligen Belastungsanforderungen zu optimieren!

Abb. 3: Mit einer individuellen Trainingsplanung auf Basis einer fundierten metabolischen Leistungsdiagnostik lässt sich z.B. die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit VO2max zielgerichtet trainieren. (Bildquelle: INSCYD)
So strebt z.B. ein Langdistanztriathlet u.a. eine möglichst hohe maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit an, auf der anderen Seite jedoch eine möglichst geringe Laktatbildungsrate. Auch die Ernährungsstrategie muss für den Langdistanztriathlon auf Basis der ermittelten metabolischen Parameter abgestimmt und eingeübt sein. Dahingegen trainiert ein Radrennfahrer mit guten Sprinterqualitäten und eher kurzen, aber intensiven Rennbelastungen für eine höhere Laktat-bildungsrate und eine ebenfalls hohe maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit. Auch muss seine Ernährungsstrategie auf diese Form der Belastung ausgerichtet sein.
Der Leistungsdiagnostiker erstellt nun die Trainingsbereiche oder -zonen für seinen Sportler als Anhaltspunkt der unterschiedlichen Trainingsintensitäten:
Zone 1 – recovery (Erholung): Die niedrigste Intensitätszone. Wird für einfaches Training, Ruhetage und zwischen Intervallen verwendet.
Zone 2 – base (Grundlage, G1): Dies ist die „Brot & Butter“-Zone für das Ausdauertraining. In dieser Zone sollten die langen Ausdauertrainings absolviert werden.
Zone 3 – medio (Grundlage, G2): Ist die Zone mittlerer Intensität zwischen der Grundlagenausdauer (G1) und der anaeroben Schwelle (AT / FTP).
Zone 4 – FatMax (maximaler Fetstoffwechsel): Die Intensität, bei der der Verbrauch von Fetten als Energielieferant am höchsten ist. In diesem Bereich findet das Fettstoffwechseltraining statt.
Zone 5 – anaerobic threshold (anaerobe Schwelle): Die Intensität an der anaeroben Schwelle (Laktatproduktionsrate entspricht der Laktatabbaurate).
Zone 6 – aerobic maximum: Eine Intensität, bei der die Sauerstoffaufnahme in sehr kurzer Zeit auf das Maximum (VO2max) ansteigt.
Zone 7 – high anaerobic: Die Intensität, bei der 25% der benötigten Energie aus der glykolytischen Energieversorgung stammen.
Zone 8 – lactate shuttling (Laktatwechsel): Der niedrigere Wert zeigt die Intensität an, bei der das Laktat bei maximaler Rate abgebaut wird. Der obere Wert zeigt die Intensität, bei der sich Laktat mit der gleichen Geschwindigkeit ansammelt.
Diese Trainingsbereiche werden nicht als feste Prozentsätze des anaeroben Schwellenwerts, FTP´s oder anderer statischer Metriken generiert. Jeder hier aufgeführte Bereich hat seinen eigenen Ursprung und bezieht sich auf eine tatsächliche Leistungskennzahl, also den aktuellen Stoffwechselstatus des Sportlers.
Für jeden Bereich werden eine obere und eine untere Intensitätsgrenze sowie ein Zielwert, auf den sich der Sportler beim Training in diesem Bereich konzentrieren sollte, angegeben (Watt für Radfahrer, Geschwindigkeit für Läufer und Schwimmer).
Wo sinnvoll und anwendbar, wird der Energieverbrauch pro Stunde angegeben und die Verteilung von Fett und Kohlenhydraten – sowohl in Prozent als auch als absoluter Verbrauch in Gramm pro Stunde (g/h). Diese Zahlen ermöglichen ein besseres Verständnis, wie sich der Sportler während des Trainings in den jeweiligen Bereichen ernähren sollte. Außerdem wird ersichtlich, wie viel Fett in jeder Zone verbrannt werden kann.
Zusammenfassung: Die metabolische Leistungsdiagnostik gewinnt seit den 1990er Jahren durch die Umsetzung metabolischer Konzepte im Training an zunehmender Bedeutung. Durch die Digitalisierung der letzten Jahre verliert die Leistungsdiagnostik an organisatorischer Komplexität und wird als Feldtest zunehmend auch im Subhochleistungssport interessant. Die Leistungsdiagnostik bildet für jeden ambitionierten (Leistungs-)Sportler eine wichtige Grundlage der zielgerichteten Trainingsplanung und Entwicklung einer Ernährungsstrategie für Training und Wettkampf. Die erhobenen Stoffwechselparameter zeigen mögliche Defizite der Leistungsfähigkeit auf. Diese Defizite werden unter Zuhilfenahme der genau belastungsdefinierten Trainingsbereiche optimiert und es werden die in Wettkämpfen geforderten Belastungsparameter gezielt trainiert.