Unter Manipulation wird in der manuellen Medizin der therapeutische Gebrauch der Hände verstanden [HOOPER 2005; GREENMAN 1998]. Ein Bereich der Manipulation ist die Mobilisation mit Impuls (engl. thrust). Dabei sollen unter biomechanischen Gesichtspunkten die Gelenkflächen mit einem einmaligen schnellen Impuls, geringer Kraft und kleiner Amplitude (high velocity low amplitude – HVLA) voneinander gezogen werden [vgl. HERZOG 2010; FRISCH 1999].
GATTERMAN [2005] definiert aus chiropraktischer Sicht die Manipulation als eine Prozedur mit einem direkten Impuls, um ein Gelenk in dessen physiologischen Bewegungsspielraum zurück zu führen, ohne die anatomischen Grenzen zu überschreiten. Nach FRISCH [1999] wird durch den manuellen Impuls das Volumen der Gelenkhöhle vergrößert (die sog. Kavitation), die Synovia und die Kapsel gedehnt und ein möglicherweise pathologischer Gelenkdruck kurzfristig, aber drastisch vermindert. Dies kann sich als ein Kavitationsgeräusch (Knacken oder Ploppen) bemerkbar machen, muss es aber nicht.
GREENMAN [1998] beschreibt innerhalb des Gelenkes eine sich bildende Aufhellung mit einer Dichte, die der des Stickstoffes entspricht. Diese gasbedingte Aufhellung persistiert über einen variablen Zeitraum, jedoch meist nicht länger als 20 Minuten. Das Auftreten dieses Phänomens legt die Annahme nahe, das sich der Aggregatzustand der Synovialflüssigkeit vom flüssigen zum gasförmigen hin ändert [GREENMAN 1998].
Der Impuls wirkt jedoch nicht nur auf die Stellung der Gelenkflächen zueinander, sondern auf alle artikulären Strukturen (Weichteile), auch der benachbarten Segmente [HERZOG 2010; ROSS et al. 2004; BEFFA & MATHEWS 2004] und insbesondere auf das zentrale Nervensystem [GARTEN 2016; HAAVIK & MURPHY 2012; HERZOG 2010; HAAVIK TAYLOR et al. 2010; HAAVIK TAYLOR & MURPHY 2007; GATTERMAN 2005; CARRICK 1997].
Aus dieser Erkenntnis wird in der Chiropraktik nicht nur von Manipulation, Thrust oder Impuls gesprochen, sondern von Justierung (engl. adjustment). Neben den biomechanischen Effekten soll der Begriff auch den neurophysiologischen Effekten der Impulsmanipulation gerecht werden [GATTERMAN 2005].
Literatur
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Carrick, F.R. (1997) Changes in brain function after manipulation of the cervical spine. In: J Manipulative Physiol Ther 20, S. 529-545.
Frisch, H. (1999)Programmierte Therapie am Bewegungsapparat. Springer, Berlin.
Garten, H. (2016) Applied Kinesiology – Funktionelle Myodiagnostik in Osteopathie und Chirotherapie. Elsevier, München.
Gatterman, M.I. (2005) Foundations of Chiropractic: Subluxation (2nd Edition). Elsevier Mosby, St. Louis.
Greenman, P.E. (1998) Lehrbuch der Osteopathischen Medizin. Karl F. Haug, Heidelberg.
Haavik, H.; Murphy, B. (2012)The role of spinal manipulation in addressing disordered sensorimotor integration and altered motor control. In: J Elektromyogr Kines 22(5), S. 768-776.
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Haavik Taylor, H.; Murphy, B. (2007) Transient modulation of intracortical inhibition following spinal manipulation. In: Chiropractic Journal of Australia 37, S. 106-116.
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Hooper, P.D. (2005) Evaluation and basic Principles of the Chiropractic Adjustment and Manipulation. In: Haldemann, S. (2005) Principles and Practice of Chiropractic, 3rd Edition. McGraw-Hill, New York.
Ross, J.; Bereznick, D.; McGill, S. (2004) Determining cavitation location during lumbar and thoracic spinal manipulation: is spinal manipulation accurate and specific? In: Spine 29 (13), S. 1452-1457.