Schmerzen des Bewegungssystems, insbesondere am Rücken- und den großen Gelenken der Extremitäten, sind die überwiegenden Beschwerden, mit denen uns die Menschen in der Chiropraktik aufsuchen. Doch nur selten ist eine organische Schädigung durch eine Entzündung oder eine Gewebeveränderung die Ursache der Schmerzen. Zumeist gehen die Schmerzen und Einschränkungen auf Muskelfehl- und Muskelverspannungen auf der Basis falscher oder mangelhafter Bewegung, einer unzureichenden Ernährung und Bewegungsdefizite in der Kindheit zurück. Mehr als 80 Prozent der Schmerzpatienten leiden unter diesen sogenannten Funktionsstörungen des Nerv-Muskelsystems!
Solche Funktionsstörungen bedürfen einer gezielt dosierten Chiropraktik, denn jeder Bewegungsapparat ist nur so gut, wie sein ihn steuerndes zentrales Nervensystem. Dieses bestimmt die Qualität des Systems aus Bewegungsapparat und Nervensystem, weswegen wir von einem Bewegungssystem sprechen. Dieses Bewegungssystem ist hoch komplex: Über 400 skelettragende, d.h. das Knochensystem im Schwerkraftfeld stabilisierende Muskeln müssen durch das zentrale Nervensystem in der richtigen Intensität zum richtigen Zeitpunkt angesteuert werden. Ansteuern bedeutet nicht nur, dass der Muskel angespannt werden muss, sondern er muss die qualitativ und quantitativ richtige Anspannung im Zusammenspiel mit allen anderen Muskeln erfahren.

Unser Bewegungssystem ist hoch komplex. Dies wird exemplarisch an den Muskelschichten des Rumpfes deutlich. Die verschiedenen Muskelschichten haben unterschiedliche Aufgaben (Stabilisation und Koordination der Segmente in der Tiefe, Bewegung des Rumpfes in der Oberfläche) und bedürfen einer entsprechend komplexen Steuerung und Regelung durch unser zentrales Nervensystem.
Didaktisch bedienen wir uns zum Verständnis dieser Zusammenhänge zweier Funktionen der Motorik: Der posturalen und der phasischen Funktion.
- Die posturale Funktion dient der Einhaltung einer Körperhaltung ohne unökonomische Schwankungen im Raum, sie ist die funktionelle Körperstabilisation.
- Die phasische Funktion ist der Wechsel der Körperlage im Raum, also die funktionelle Körperbewegung.
Beide Funktionen ergänzen sich zwingend, denn jede Bewegung muss durch die posturale Funktion bereits vor der äußerlich sichtbaren Bewegungsdurchführung zielgerichtet stabilisiert werden. Und jede Bewegung – auch die ruhige Stabilisation im Schwerkraftfeld – ist ein Informationslieferant aus den Meldeorganen (Rezeptoren) unseres Bewegungsapparates an unser zentrales Nervensystem. Dieser Input wird zentral be- und verarbeitet und hat einen Output an den entsprechenden Muskeln zur Folge. Hier entsteht ein Regelkreis, in dem Informationen fließen und jede Änderung im System permanent aktualisiert wird.

Beispiel eines Regelkreises beim Training mit einem Schwingstab. Der Regelkreis ist ein Wirkungsablauf, bei der ein Regler, unser zentrales Nervensystem, die Abweichungen vom Sollwert aus den Bewegungsprogrammen kontinuierlich korrigiert.
Wie ein Hochleistungsrechner funktioniert unser Gehirn. In Millisekunden werden unzählige Daten produziert, ausgewertet und in abgespeicherte Programmstrukturen eingefügt. Ohne ausreichende Daten (z.B. durch wenig Bewegung, falsche Bewegungsmuster) könnte unser zentrales Nervensystem nicht funktionieren und von einer zentralmotorischen Steuerung könnte nicht die Rede sein.
Fazit: Nur ein voll funktionsfähiges zentrales Nervensystem ist in der Lage, unseren komplexen Bewegungsapparat bei jeder noch so anspruchsvollen Bewegung zu steuern und zu regeln. Liegt in diesem komplexen System eine Störung vor, kann es zu einseitigen Belastungen, Fehl- und Verspannungen und schließlich zu Schmerzen kommen, die mit einer medikamentösen Therapie nicht zufriedenstellend und nachhaltig beseitigt werden können. Dem Chiropraktiker kommt die Aufgabe zu, die zentralmotorische Funktionsstörung zu identifizieren und diese mittels eines entsprechend funktionellen Therapieansatzes zu beheben, um eine nachhaltig anhaltende Schmerzfreiheit zu erreichen!